Das wachsende Ladungsaufkommen stellt die Häfen und deren Infrastruktur zunehmend vor hohe Anforderungen. Viele Häfen stoßen im Zusammenhang mit dem Hinterlandverkehr an ihre Kapazitätsgrenzen.
Kaimauern und Stauflächen (Stacking Areas) sind nicht unbegrenzt ausbaufähig, auch die Terminal-Produktivität befindet sich an den oberen Auslastungsgrenzen. Immer mehr Containerschiffe sind abzufertigen und damit mehr Container zu bewegen, doch die Umschlagleistung am Pier sowie die benötigte Stellfläche bleiben ein Nadelöhr. Die Umschlagleistung hängt wesentlich von der Zahl der eingesetzten Containerbrücken und deren âMovesâ ab. Allerdings ist der Einsatz von beliebig vielen Containerbrücken zum schnellen Laden und Löschen nicht ohne weiteres möglich, denn die horizontalen Bewegungen â also Abtransport und Anlieferung der Container von und zu den Terminalstauflächen â hängen von der Schiffsgröße und der Anzahl der Ladeluken ab. Aus diesem Grund werden an einem großen Containerschiff nur vier bis fünf Containerbrücken zum Laden und Löschen eingesetzt.
Mit diesem Wissen und aus der Überlegung heraus, die Produktivität an diesem Flaschenhals zu erhöhen und gleichzeitig den direkten Umschlag von Transitladung, die in andere Häfen weitertransportiert wird, zu beschleunigen und kosteneffizienter durchzuführen, wurde das sogenannte Integrierte Terminal-Schiff-System (ITSS) entwickelt. Hinter diesem Begriff verbirgt sich beidseitiges Laden und Löschen sowie der direkte Umschlag von Transitladung zwischen den großen Containerschiffen und den Feederschiffen. Die Weiterverteilung durch kleinere Feederschiffe auf dem Seeweg nimmt zu. Bereits heute ist der Anteil zu verladender Transitladung in einigen Fahrtgebieten hoch und wird sich weiter steigern.
Im Hafen von Singapur beispielsweise ist meist die Gesamtladung eines eintreffenden Schiffes für den Weitertransport bestimmt, mit Ausnahme weniger Container für das Hinterland Malaysia und Singapur selbst. Ähnliches ist in Shanghai als Transithafen für Nordchina und in Hongkong für China und Taiwan zu beobachten. In Hamburg sind es derzeit 35 % der Gesamtladung, die per Feederschiff weiter transportiert werden. Beim geplanten Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven werden es nach heutiger Projektplanung gar 60 % Feederladung werden.
Da hätte der beidseitige Umschlag, wie es ITSS vorsieht, ein erhebliches Rationalisierungspotenzial. Denn nach den Berechnungen des Erfinders könnten bei beidseitigen Lade- und Löscharbeiten nicht nur acht bis zehn Containerbrücken zugleich an einem Schiff arbeiten, auch der direkte Umschlag von Feederladung auf ein bereit stehendes Feederschiff ist möglich. Das entlastet einen Terminal von allen dadurch nötigen Horizontalbewegungen und dem kostenintensiven Stacking der Container â statt eines zweimaligen Umschlags vom Schiff auf den Kai und von dort aus wieder auf ein Feederschiff.
Um einen doppelseitigen Umschlag zu realisieren, sieht das patentierte ITSS vor, neben der unveränderten Landseite eines Terminals eine ca. 400 m lange und mindestens 16 m breite Fingerpier im Parallelabstand von ca. 65 m zur Landseite zu bauen, so dass größere Containerfrachter dazwischen eindocken können. Auf Kranschienen, die sowohl landseitig als auch am Fingerpier montiert sind, bewegen sich fünf Hochleistungscontainerbrücken, die den gesamten Terminal einschließlich der Schiffe quer überspannen. Mit zwei Hebevorrichtungen kann jede Brücke gleichzeitig nach beiden Seiten Laden und Löschen.
In Häfen mit ausschließlicher oder überwiegender Feederladung, wie zum Beispiel Malta oder Algeciras, kann der ITSS-Terminal auch aus zwei Fingerpiers bestehen, so dass an beiden Seiten Feederschiffe festmachen können. Die wenige für den lokalen Hafen bestimmte Ladung kann dann auf Pontons übernommen werden. Ein Pontonsystem bietet sich auch in Häfen an, in denen keine festen Fingerpiers errichtet werden können. Die Vorteile einer ITSS-Operation liegen in einem direkten Umschlag von Feederladung, bei dem gleichzeitig geladen und gelöscht werden kann. Das entlastet die Lagerflächen des Terminals von Feederladung und reduziert die Umschlagkosten. Die Hafenliegezeit des Containerschiffes verkürzt sich â auch die Hafenkosten für das Feederschiff lassen sich dadurch reduzieren, da das Schiff nicht mehr die Landpier benutzt.
Dies stellt die Stauplaner vor große Herausforderungen, die die Staupläne der großen Containerschiffe mit denen der Feederschiffe koordinieren, um zügig löschen zu können. Eine wichtige Voraussetzung ist darüber hinaus eine Fahrplansicherheit, um das erforderliche gleichzeitige Eintreffen aller beteiligten Schiffe zu gewährleisten. Hierin sehen Kritiker des Systems das größte Problem.
Nachteilige Auswirkungen des doppelseitigen Umschlags könnten sich aus dem Andocken der Feederschiffe an einen Schwimmponton ergeben. Dabei lassen sich wie bei der sog. Midstream-Operation Schäden am Schiff nicht ganz ausschließen. Midstream-Operation bezeichnet ein in Hongkong gängiges System, bei dem das Containerschiff auf offener See geladen und gelöscht und über Feederschiffe weiter transportiert wird. Bedingt durch den Seegang unterliegt das Laden und Löschen allerdings erschwerten Bedingungen für Material und Mensch.
ITSS könnte für viele Häfen in ihrer speziellen Situation ein Lösungsansatz für die Zukunft sein, um das hohe Ladungsaufkommen effizient zu bewältigen, wenngleich deren Realisierung möglicherweise noch auf sich warten lassen wird.